Wie alles begann...

Prolog 

In einem kleinen, weißen Haus mit einem großen Erker mit großen Fenstern lebt ein kleines Mädchen. Das Mädchen heißt Lila und sieht ein bisschen komisch aus. Sie trägt immer einen viel zu großen Sommerhut aus Stroh, auf dem eine rote Mohnblume befestigt ist. Die Mohnblume ist natürlich nicht echt, die ist aus Stoff, sonst würde sie ja kaputt gehen, aber das könnt ihr euch sicherlich denken. Zu ihrem Sommerhut trägt Lila immer ihre Lieblings-Gummistiefel. Die sind herrlich blau mit weißen Punkten. Die sehen genauso schön aus wie Lilas Lieblingston. Lila hat nämlich eine ganz besondere Fähigkeit: Für Lila haben alle Töne auf der Welt Farben. Das ist nicht für jeden so, hat die Oma Lila erklärt. Nur ganz wenige Menschen sehen Farben, wenn sie Töne hören. Das ist nämlich so: Wenn Lila auf dem Klavier zum Beispiel den Ton „d“ spielt, dann leuchtet plötzlich alles ganz im wunderschönsten blau, das man sich vorstellen kann. Und sobald sie den Ton nicht mehr spielt, ist alles wieder wie immer. Die Oma nennt das dann immer Lilas Zauberaugen. Aber eigentlich ist das gar keine Zauberei, sondern weil die Lila ein paar Verbindungen mehr im Kopf hat als andere Menschen, das sagt zumindest die Nachbarin von Lila, Kathrina. Ganz genau weiß Lila aber auch nicht, was das bedeutet. Nur, dass für Lila Musik immer ganz bunt ist, als würde man die Welt durch viele bunte Glasscherben betrachten. Und weil die Welt, wenn mal keine Musik spielt, furchtbar grau und traurig ist, zieht sich Lila sonst eben ganz bunt an. Und die Gummistiefel sind nun mal so wunderschön wasserwellenmeerblau wie Lilas Lieblingston „d“. Und weil die Gummistiefel mal ihrer Mama gehörten und Lila deshalb viel zu groß sind, zieht sie einfach immer dicke Wollsocken an, dann passen die Stiefel wie angegossen. Außerdem sind warme Füße wichtig, sagt die Oma immer. Die Socken sind mohnblütenrot, genauso wie die Mohnblume auf Lilas Hut und wie der Ton „a“. Wobei der Ton a noch ein bisschen mehr rot ist als eine Mohnblume. Das ist immer sehr schwer zu erklären, findet Lila. Für Menschen, die keine Zauberaugen haben. Aber die müssen das ja auch gar nicht verstehen, Lila mag sowieso nicht immer so viel davon erzählen, weil die meisten Menschen Lila dann für verrückt halten. Noch mehr als jetzt schon, weil Lila sich anders anzieht als andere und weil Lila Zauberaugen hat und weil Lila immer komische Worte benutzt. Aber das war egal. Sie hatte ja noch Hector Mug, ihren besten Freund. Hector Mug wohnt ein kleines Stückchen den Berg rauf, in einem blau gestrichenen Haus. Lila war einmal vor dem Haus gestanden und hatte die schöne Farbe bestaunt, als Hector mit seinen Eltern eingezogen war. Hector ist genauso alt wie Lila, nur ein bisschen kleiner, und Hector sammelt Steine und Muscheln. Er hat schon ein ganzes Regal voll. Und er besitzt ganz viele verschiedene bunte Steine, die im Sonnenlicht funkeln. Außerdem kann Hector Cello spielen. Lila liebt es, wenn Hector auf seinem Cello spielt. Lila ist sich sicher, dass kein Kind auf der Welt so gut Cello spielen kann wie Hector. Und Hector hatte Lila am Anfang zwar mit großen Augen angeschaut, als Lila ihm von ihren Zauberaugen erzählte, dann hatte er aber sein Cello ausgepackt und eine wunderschöne Melodie gespielt. „Kannst du mir das aufmalen?“, hatte er danach gefragt und Lila hatte gemalt und gemalt. „Wow, das sieht aber toll aus!“, meinte Hector dann und von da an waren die beiden die besten Freunde geworden. Seitdem sehen sie sich jeden Tag. In der Schule und danach. Hector ist sehr lustig. Er trägt immer eine cremefarbene Latzhose, ein kariertes Hemd und eine schwarze Baskenmütze und manchmal malt er sich zum Spaß einen dunklen Bart auf, weil alle Cellisten so aussehen, wie Hector meint. Als Lila Hector einmal fragte, woher er denn wisse, wie Cellisten aussehen, meinte er, dass er schon einmal in Paris in der Oper war und dass da alle Cellisten so aussähen, und weil Paris nun mal Paris war, mussten wohl wirklich alle Cellisten so aussehen.   

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